»Ich mache viele Dinge, um mich im Gleichgewicht zu halten.«
»Das hier ist die Eisenhöhle«, dröhnt es aus dem Schwarzen XXXL-Sweatshirt, das Tim Budesheim sich gerade über den Kopf zieht, »ein Fitnessstudio, nur für mich selbst errichtet. Bei mir, ganz speziell am Rücken und im Beinbereich, da brauche ich noch ein paar gezielte Meißelschläge – und dafür habe ich mir extra diese besonderen, genau passenden Geräte gebaut.«
Budesheim ist Profi-Bodybuilder, ein echter Weltklasse-Leistungssportler. Er wurde Deutscher Meister und Junioren-Weltmeister. »Auf diesem Niveau«, erklärt er schmunzelnd, »wird nicht mehr mit der Schrotflinte geschossen. Wenn ich etwas Bestimmtes trainieren will, dann treffe ich den Muskel genau da – das ist eben Körpergefühl – wo ich es möchte. Und dafür brauche ich die verschiedensten Geräte. Dieses besondere Körpergefühl, das nimmt man nicht so wahr, daß man sagt: Oh da ist es, jetzt hab ich’s gefunden, das ist mein Körpergefühl. Bodybuilding betreibe ich schon seit ich 16 bin, es ist ein Prozess, seinen Körper kennen zu lernen.«
»Der Körper kann nur Muskeln aufbauen, wenn der Körper gesund ist.«
Für Budesheim war es neben all dem harten Training auch ein ganz persönlicher Schlüssel zum Erfolg, seinen Körper immer besser zu beobachten und selbst ganz genau zu evaluieren, was ihm gut tat, was sich für ihn gut anfühlte – und was eben nicht. »So bin ich immer mehr in diese Richtung gekommen, daß ich mich selbst um das Thema Gesundheit gekümmert habe. Spurenelemente, Vitamine, alle möglichen Dinge – Ballaststoffe – damit beschäftige ich mich als Bodybuilder jetzt.«
Für seine gesundheitlichen Selbsteinschätzungen hat er sich eine solide Grundlage geschaffen, findet er: »Bei mir ist alles sehr gut nachvollziehbar, wirklich. Ich wiege meinen Salzkonsum ab. Genau 10 bis 15 Gramm am Tag. Ich weiß auf das Gramm genau ,was ich esse. Ich habe immer den gleichen Tagesablauf, ich trainiere zur gleichen Uhrzeit, ich schlafe zur gleichen Uhrzeit. Ich mache immer alles gleich. Das ist ja eigentlich für eine wissenschaftliche Betrachtung die perfekte Ausgangslage, weil ich jede Veränderung genau feststellen und bewerten kann. Viele andere könnten das nicht, die essen heute mal ein Butterbrot zum Frühstück und morgen dann eine Banane.«
»Am besten, man hat nix, dann braucht man auch nix behandeln.«
So ein austrainierter Körper, berichtet Budeshein, »hat ein gewisses Gleichgewicht und je mehr Du den Körper da rausholst, oder rausbringst, desto mehr kommt insgesamt ins Ungleichgewicht. Bei mir ist es eben so, ich trainiere extrem viel, ich esse extrem viel mehr als normale Menschen. 8 bis 10 Mahlzeiten am Tag, zwischen 4000 und 6000 Kilokalorien. Dann kommen noch andere Faktoren hinzu, wie Stress, Leistungsdruck, oder eben auch die Einseitigkeit der Ernährung in der Wettkampfvorbereitung, wenn ich den Körper ans Limit fahre. Natürlich ist das nicht gesund.«
»Alternativmedizin oder Naturheilkunde, Homöopathie, da darf man nicht so denken: Schwarz oder weiß.«
»Es gibt in allen Disziplinen Leute, die gut sind. Wenn ich aber als Bodybuilder, mit der Erscheinung und 133 Kilogramm Gewicht zum Arzt gehe, wie jeder andere Mensch auch, dann habe ich schon das Problem, daß der Arzt einfach sagt: Du brauchst Dich nicht zu wundern, hör auf mit dem Krafttraining, Du isst zu viel, die Wettkämpfe sind nicht gut für Dich, da kommen alle Probleme her. Das hilft mir dann natürlich nicht wirklich.« In solchen Momenten wünscht sich Budesheim dann doch eine offenere Haltung und vielleicht auch ein paar konstruktivere Ansätze: „Alternativmedizin, Ernährungswissenschaft, TCM und so weiter, diese Brücken habe ich mir dann einfach selbst für mich geschlagen, so daß ich quasi die Alternativmedizin selber ein wenig für mich erforscht habe.«
»Der Heilpraktiker hat mehr Zeit, der kann sich mehr Zeit nehmen.«
»Wenn ich mich gezerrt hab, gehe ich zum Physiotherapeuten, Chiropraktiker oder Ostheopathen – und suche auch dafür die Ursache.« Für die Behandlung schwererer Krankheiten und auch bestimmter anderer Dinge hält Budesheim aber auch die Schulmedizin für das Richtige: »Wenn ich mir den Arm gebrochen hab oder ich habe eine Verletzung, die chirurgisch versorgt werden muss, dann gehe ich guten Gewissens zum Arzt. Oder wegen meiner Blutwerte, wenn ich Untersuchungen brauche oder eine Diagnose.
Wenn der Arzt dann aufgeschlossen ist – und es gibt ja mittlerweile auch Praxen, die das so machen – dann sagt er: Ok, hier, ich habe Dich behandelt, das ist mein Fachgebiet, geh bitte eine Tür weiter, zum Heilpraktiker und führ mit dem ein Gespräch: Junge, wenn Du Bauchweh hast, was ist denn zu Hause los? Stimmt da was nicht? Schläfst du nicht? Hast Du Probleme? Kommst Du nicht runter? Das sind ganz wichtige Dinge, mit denen man sich beschäftigen muss.«
Anderes Beispiel: Diabetes 2. Budesheim richtet sich erst einmal richtig auf, macht sich gerade: »Also Junge, hört man da oft: Du brauchst Dich nicht einschränken, kannst alles essen, du mußt dich nur dementsprechend medikamentös einstellen. Also schau halt einfach auf deinen Blutzucker und wenn du den Joghurt essen willst, mit 20 Gramm Zucker drin, dann mußt Du eben 10 Einheiten Insulin spritzen. Ein Ernährungsberater würde fragen: Ja muss es denn der Joghurt sein, kannst Du keinen Skyr nehmen und dir ein paar gefrorene Himbeeren da reinmachen?«
»Ich gehe in den Wald, um der Natur zuzuhören.«
Offenheit, Balance und Bewusstsein, das sind die Pole um die sich bei Tim Budesheim alles dreht: »Ich war schon überall auf der Welt – Mongolei, Brasilien, Amerika, egal wo. Ich habe das nie so richtig wahrgenommen, war immer so in meinem Drive und mit Vollgas unterwegs.« Leistungsdruck und Zeitdruck haben das bewußte Erleben dieser Zeit, der kostbaren Momente seiner Karriere extrem erschwert und das möchte er inzwischen anders machen. »Wenn ich heute so eine Reise plane, kann ich auch sagen: Ok, ich bleibe bis Mittwoch, oder Freitag oder Samstag. Ich kann es ganz anders wertschätzen und das ist eine schöne Sache, das genieße ich sehr.«
»Ich muss auch einen gewissen Ausgleich zum Alltag schaffen, das habe ich gelernt. Ich bin landverbunden, ich gehe gern raus. Wenn ich draußen bin, in der Natur bin, das fühlt sich frei an. Frische Luft, ich atme tief durch und das ist einfach ein sehr schönes Freiheitsgefühl.«
Für die Zukunft wünscht sich Budesheim vor allem eines: Gesundheit. Gesund zu bleiben ist das Wichtigste für ihn, denn der Leistungssport verlangt ihm sehr viel ab und er hat noch viele Pläne: »Auf gewisse Weise schränkt mein Sport mich ja auch sehr ein, ich will vielleicht auch noch einmal anderen Dingen nachgehen können. Mal so Sachen machen wie wandern gehen oder Mountainbike fahren – das ist ja als Bodybuilder mit 133 Kilogramm Lebendgewicht so einfach nicht drin.«